Leichter gestresst als andere – Neurodiversität und Stress

Grundsätzlich ist der Mechanismus wie Stress im Körper entsteht bei neurotypischen und neurodiversen Menschen gleich. Allerdings gibt es doch ein paar Besonderheiten, die auf der einen Seite das Stressempfinden erhöhen oder bereits schon zu einem früheren Zeitpunkt als Stress empfinden lassen und andererseits Faktoren, die durch einen unterschiedlich angelegten Filter Außenfaktoren zu Stressoren werden lassen, die für neurotypische Menschen kein Problem darstellen. 

Bei Neurodiversen (ND) menschen funktioniert das Gehirn etwas anders als bei neurotypischen (NT). Dabei gibt es aber sehr unterschiedliche Neurodiverse Menschen. 

Bild zeigt Gauss-Verteilung der Ausprägung von Sensitivität, Sensorik, IQ und Introspektion

Diese Chart erklärt das vielleicht etwas anschaulicher, die Übergänge sind dabei fließend 

Ich selbst habe einige Eigenschaften, durch die ich mich zu den neurodiversen Menschen zähle. Ich bin sehr lichtempfindlich und leicht geblendet, Gerüche sind mir schnell zu viel, und ich bin sehr hellhörig. Das führt dazu, dass mein Fokus manchmal schwer zu halten ist und mich mehr Energie kostet als andere. Meine Umschulung von links auf rechts als Kleinkind verbraucht bei normalen Aufgaben auch mehr Energie als nicht umgeschulte Links- oder Rechtshänder.

Um dazuzugehören oder nicht aufzufallen, versuchen neurodiverse Menschen sich anzupassen und gewünschtes Verhalten an den Tag zu legen. Sei es Gerüche oder Geräusche auszublenden, Augenkontakt zu halten auch wenn es unangenehm empfunden wird, kratzende Kleidung zu ertragen, unangenehme Oberflächenkontakte auszuhalten, oder störende Gedanken wegzudrücken. Das kostet zusätzliche Energie. Entsprechend ist es wenig verwunderlich, das bei einem generell erhöhten Energiebedarf durch störende Faktoren im Umfeld das Gleichgewichtslevel anders ist und deswegen die Stresstoleranz für andere Faktoren geringer ist. 

ND Menschen sind sich ihrer Andersartigkeit oft bewusst, wenn auch nicht speziell diagnostiziert. Sie bewerten sich unter Umständen schlechter als ihre NT Mitmenschen, sei es als faul, inkompetent, verplant oder schwach. 

Der Begriff Procrastination oder Aufschrieberitis taucht in diesem Zusammenhang auch auf und bedeutet, dass Aufgaben nicht gemacht werden, vermieden werden oder aufgeschoben werden. Das liegt aber meistens nicht in Faulheit begründet, sondern hat andere Ursachen. Dr. Alina Kislenko aus Kanada hat die STRESS Analyse vorgestellt, mit deren Hilfe mögliche Ursachen gefunden und in der Folge leichter gehoben werden können. Ich habe dazu bereits einen Blogbeitrag geschrieben.

Ein Tipp an dieser Stelle: Für manche Menschen (insbesondere solche mit ADS oder ADHS) funktioniert es nicht, sich eine Belohnung in Aussicht zu stellen um sich zu einer Aufgabe zu motivieren. Diesen rate ich es anders herum zu versuchen. Sich erst etwas Gutes gönnen, damit den Vorrat an Glückshormonen auffüllen und nutzen dann diese Energie nutzen um die Aufgabe anzugehen. (Geben Sie ihrem inneren Elefanten eine Karotte – falls Sie den Bezug nicht verstehen, lesen Sie den Artikel über System 1 und 2 in uns)

Menschen, die sich für unorganisiert halten, empfehle ich das Buch Getting Things Done von David Allen (Wie ich die Dinge geregelt kriege ist die dt. Version). Ich empfehle auch gerne das Angebot meines Business-Buddies Annegret Scholz: einfach umsetzen! In ihrer Community fällt es vielen Menschen leichter, Dinge umzusetzen. Sie hat gute Tipps, Empfehlungen und stellt die richtigen Fragen.

Es ist gut, zu bemerken, dass das eigene Stresslevel erhöht ist. Sehr wichtig ist es im nächsten Schritt, die Stressoren zu identifizieren. Denn solange man sich gestresst fühlt, aber nicht weiß warum, kann man schwer etwas dagegen tun.

Das sind die klassischen Bereiche: Beruf, Familie/Beziehung oder allgemeiner im Umgang mit anderen, Gesundheit, Freizeit, das Selbst/meine Eigenschaften, meine Seele/Gefühle. Entsteht Stress in einem bestimmten Bereich oder dann, wenn mehrere Faktoren zusammen kommen? Was genau verursacht in dem Bereich den Stress? Oder gibt es Ablenkungen, die in Summe zu Stress führen? Stress in einem Bereich kann sich auf einen oder alle anderen auswirken. Bei emotionalem oder seelischen Stress wie Verlust durch Trennung oder Verlust durch Tod, wirkt sich das in der Regel auf alle anderen Bereiche auch aus.

Zunächst entsteht Stress im Kopf durch die Bewertung ein Situation. Es geschieht etwas und mein Hirn bewertet das als gefährlich oder nicht machbar. Wenn ich eine bestimmte Situation schon oft gemeistert habe, wird sie nicht mehr als so gefährlich bewertet. Wenn etwas nicht machbar ist, verursacht das grundsätzlich erst mal keinen Stress, sondern erst, wenn ich von mir erwarte es doch machen zu können, aber nicht weiß wie. Es ist also durchaus hilfreich am eigenen Mindset zu arbeiten. Mit regelmäßigen Entspannungsübungen (Progressive Muskelentspannung, Atemübungen, Meditation) kann ich ausgeglichener werden um dann näher an den Fakten bewerten zu können. Auch Achtsamkeitsübungen helfen dabei. Dabei geht es darum, wertfrei Dinge wahrzunehmen. Beispiel: Ein Bär im Zoo bewertet das Gehirn als ungefährlich. Ein Bär im Garten ist schon etwas stressiger, aber auch ok, wenn ich ihn von drinnen sehe (schon selbst erlebt) und absolut bedrohlich, wenn ich einem direkt begegne. In allen Fällen nehmen wir einen Bär wahr, aber die Bewertung der Situation fällt unterschiedlich aus und entsprechend das Stresslevel im Körper. Unnützer Stress wäre, den Bär im Zoo als Gefahr wahrzunehmen und in Panik zu geraten. Fakten wahrzunehmen ist wichtig.

Für manche Menschen aus der Gruppe der Neurodiversen gibt es auch den sozialen Stress und den emphatischen Stress. Sozialer Stress entsteht in Situationen mit anderen Menschen. Durch die Erwartungshaltung an sich selbst, nicht negativ aufzufallen, d.h. small talk zu betreiben, obwohl man das nicht mag, zu lächeln obwohl es einem nicht gut geht, eng zu stehen, obwohl der persönliche Wohlfühlabstand zu anderen deutlich größer wäre, oder der Geräuschpegel, wenn mehrere Menschen gleichzeitig reden (Menschen mit auditiver Wahrnehmungsstörung können dann die Worte des Gegenüber nicht mehr herausfiltern und die Unterhaltung wird sehr schwierig und anstrengend).

Empathischer Stress entsteht bei ND Menschen, die die Stimmung und Gefühle von anderen Menschen stärker wahrnehmen als NT Menschen. Vielleicht kennt der ein oder andere das Gefühl in einen Raum zu kommen und zu bemerken, dass hier schlechte Stimmung herrscht. Empathische Menschen nehmen noch viel mehr wahr. Manchmal lässt man sich von der schlechten Stimmung oder der guten Stimmung anderer antecken. Für diese Menschen ist es wichtig zu lernen sich abzugrenzen: was sind deren Gefühle und was sind meine? Möglicherweise braucht es mehr Zeit alleine um zur Ruhe zu kommen und sich zu sortieren. 

Das Stichwort ist Selbstmitgefühl. Wir können uns dafür vorstellen, wir wären ein Kind, dem es nicht gut geht. Wir dürfen Mitgefühl zeigen und dann fragen, was es gerade braucht damit es besser geht. Und das sollten wir uns dann auch erlauben. Dafür ist es sinnvoll sich selbst besser kennenzulernen. 

Themen zum Erkunden finden sich in diesen Fragen:

  • Welche Bedürfnisse habe ich? Was sind die Bedürfnisse anderer?
  • Was sind meine Risikofaktoren für Stress und wie kann ich die reduzieren?
  • Wie ist mein Selbstbild? Wie ist kann ich mehr Selbstmitgefühl haben?
  • Was sind meine Stärken, die mir helfen können mit Stress besser umzugehen?
  • Setze ich gesunde Grenzen anderen Menschen gegenüber, damit ich nicht ausgenutzt werde?
  • Achte ich genügend auf meinen Körper, Geist und Seele? (->Wellness für den Kopf Workbook downloaden)
  • Wie gehe ich mit meinen Fehlern, Macken und Unzulänglichkeiten um?
  • Was treibt mich eigentlich an? Ein eigenes Ziel oder übernommene Denkmuster von anderen?

Nach Dr. Kaluza’s Stresstraining gibt es 6 Schritte um gelassen und sicher mit Stress umzugehen:

  1. Den Stress/die Stressoren finden
  2. Lösungen brainstormen
  3. Eine Lösungsstrategie auswählen
  4. Konkrete Schritte für diese Strategie überlegen
  5. Die Schritte umsetzen
  6. Die Situation neu bewerten

Das hört sich in der Theorie wunderbar einfach an, aber so einfach ist es aus meiner Erfahrung heraus nicht. Denn manchmal steck man zu tief in der eigenen Situation, dass man nur noch das Problem sieht, aber die Perspektive zur Lösungsfindung nicht wechseln kann. Dann helfen Gespräche mit anderen aus dem eignen sozialen Netzwerk (Familie, Freunde) oder ein Berater oder Coach. 

Wenn du alleine nicht weiter kommst, unterstütze ich dich gerne!

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1 Kommentar zu „Leichter gestresst als andere – Neurodiversität und Stress“

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